Wenn man heute durch die Wiener Innenstadt geht, sieht man immer mal wieder Spuren der früheren, römischen Besiedelung. Zum Teil ist noch der Aufbau der alten Siedlung Vindobona erhalten. Heute würde man erwarten, dass hier eine gigantische Siedlung stand, am Donaulimes, zum Schutz vor den Barbaren am nördlichen Donauufer.
Doch die eigentliche Hauptstadt am Donaulimes liegt gut 40 km weiter östlich beim heute doch recht verschlafen wirkenden Petronell-Carnuntum. Und diesen wirklich spannenden Ausflug möchte ich euch heute ans Herz legen.
Die Geschichte der Römerstadt Carnuntum begann wohl etwa im 1. Jahrhundert mit der Ansiedelung der Legion auf dem Gebiet des heutigen Bad Deutsch Altenburg. Nachdem sich rund um das Legionslager zivile Siedlungsgebiete gebildet hatten und die außerhalb des Sicherheitsbereichs von 2,2 km die sich rasch nach Westen ausbreitende Zivilstadt gegründet wurde, war die Zahl der Bewohner bereits ein Jahrhundert später auf 50000 angewachsen. In Hochzeiten waren in Carnuntum 6500 Legionäre stationiert.

Kaiser Marcus Aurelius führte von Carnuntum aus die Feldzüge während der Markomannenkriege, bevor er 180 n. Chr. wohl in Vindobona starb. 193 n. Chr. wurde Septimus Serverus von hier aus zum Kaiser ausgerufen und damit wurde die Zivilstadt Carnuntum zur römischen Kolonie, ein wirtschaftlicher Aufschwung setzte ein, der über die große Kaiserkonferenz in Carnuntum von 308 n. Chr. anhielt. Doch Mitte des 4. Jahrhunderts verwüstete ein schweres Erdbeben die Region. Die Auswirkungen der Völkerwanderung führten schließlich dazu, dass die Stadt nach und nach aufgegeben wurden.
Auf römischen Spuren im Archäologischen Park von Carnuntum
Die Gebäude von Carnuntum verfielen und verschwanden über die Jahrhunderte. Einzig das Heidentor und Spuren des großen Stadions blieben erhalten.
Doch die moderne Archäologie machte es möglich. Grabungen am Ortsrand von Petronell, unweit des Heidentores, brachten die Grundmauern eines ganzen Stadtviertels rund um eine Therme zu Tage, die nach neuestem Stand der archäologischen Forschung wieder aufgebaut wurden. So kann man heute auf Spuren der Alten Römer wandeln und mit allen Sinnen erfahren, wie sich die damalige Zeit so anfühlte.
Alles beginnt mit dem riesigen Modell, das die ganzen Ausmaße von Militär- und Zivilstadt sowie dem dazwischen liegenden Auxilliar-Kastell zeigt. Die Ausdehnung ist absolut gigantisch.

Von hier aus erreicht man die Gebäude des mit viel Liebe zum Detail rekonstruierten Stadtviertels. Im Mittelpunkt steht natürlich das Forum mit seiner Forumstherme, die voll funktionsfähig ist, inklusive Fußbodenheizung und Latrine.

Direkt im Anschluss an die Therme wurden die Läden und Küchen des Forums und dessen Taverne wieder errichtet.

In unmittelbarer Nachbarschaft zur Therme und zum Forum wurden die Fundamente einer repräsentativen Stadtvilla entdeckt. Mit aufwendigem Wandverputz und einem riesigen Speisesaal mit Apsis sowie zahlreichen kleinen Nebenräumen war die Villa Urbana wohl der Wohnsitz eines reichen Bürgers. Die genaue Identität konnte allerdings bisher nicht geklärt werden.



In direkter Nachbarschaft konnten weitere kleinere Bürgerhäuser identifiziert werden. So gibt es etwa die Villa des Tuchhändlers Lucius, der aufgrund der Inschrift in einem Weihealtar als Hausbesitzer identifiziert werden konnte. Er widmete das Haus den Nymphen, wie man an den geweihten Hausaltären erkennen kann.

In einem weiteren Haus, dem Domus Quarta, wurde ein beinahe vollständig intaktes Bodenmosaik gefunden. Das dazugehörige Haus wurde teilrestauriert.

Eine Stadt, die etwas auf sich hielt, brauchte natürlich ein Amphitheater. Das Theater der Zivilstadt befand sich knapp außerhalb des Areals (heute unweit des Parkplatzes). Die Anlage in Carnuntum fasste rund 13000 Menschen und wurde für Tierhatzen, Gladiatorenkämpfe und auch für Bürgerversammlungen genutzt.

Die Rekonstruktions- und Bauarbeiten in Carnuntum sind längst noch nicht abgeschlossen. 2011 brachten Forschungsarbeiten der Ludwig-Boltzmann-Stiftung eine echte Sensation zu Tage. Etwas abseits des Amphitheaters wurde ein Ludus entdeckt, eine Gladiatorenschule, die in ihrer Größe nur mit der Anlage am römischen Kolosseum vergleichbar ist. Auf einem Areal von 12000 Quadratmetern existierte ein riesiger Gebäudekomplex, auf dem der Besitzer der Gladiatorenschule und auch die Gladiatoren in Ausbildung lebten und trainierten. Nach Abschluss der Forschungsarbeiten wurde die hölzerne Trainingsarena, die im Hof der Schule stand, rekonstruiert und kann im Feld etwas abseits des Amphitheaters bestaunt werden.

Es wird übrigens immer weiter geforscht, gegraben und wieder aufgebaut – das Wieder-Wachstum der Carnuntiner Zivilstadt ist längst nicht abgeschlossen. Carnuntum ist das einzige Legionslager, was bis heute kaum von folgenden Generationen überbaut wurde. Daher ist die Chance, auf römischen Spuren zu wandeln hier besonders groß und natürlich haben die Archäologen hier eine entsprechend große Chance auf neue Entdeckungen. Ich bin jetzt schon gespannt, wie sehr sich das Stadtviertel bei meinem nächsten Besuch verändert haben wird – bei meinem Ersten Besuch 2013 war es in jedem Fall noch viel kleiner als beim letzten Besuch 2019.
Info
Die Römerstadt Carnuntum liegt 40 km von Wien entfernt und bestens an den ÖPNV angebunden. Man erreicht sie mit der S7 Richtung Hainburg an der Donau (Station Petronell-Carnuntum) und anschließend etwa 10 min Fussweg.
Öffnungszeiten: 18. März bis 17. November 2019 | täglich von 9 bis 17 Uhr
Eintrittspreise – Kombiticket mit Museum Carnuntium und Amphitheater der Militärstadt:
Erwachsene: 12€
Ermäßigt*: 10€
Kinder bis 11 Jahre mit Begleitung eines Erwachsenen: frei
Kinder 11 – 14 Jahre: 6€
Hunde sind im Stadtviertel und im Amphitheater der Militärstadt an der Leine erlaubt – im Museum Carnuntium nicht.
Führungen im Stadtviertel:
Wochenende, Feiertage: 10.00 | 12.00 | 14.00 | 15.30 Uhr (einstündig)
Montag – Freitag: 14.00 Uhr (einstündig)
Führungsentgeld: 3€/Person – unter 6 Jahre frei (es lohnt sich)