Man mag über die Pferdehaltung in Wien denken, was man will. Aber würden die Fiaker nicht mehr für einen dezenten Duft vor der Hofburg oder dem Stephansdom sorgen, würde in Wien etwas fehlen.
Die echten Modellathleten in der Hofburg haben es aber etwas bequemer – die berühmten Lipizzaner leben in den Hofstallungen. Aber nicht nur da – ihre Freizeit verbringen sie auch in den großen Gestüten am Heldenberg (Niederösterreich) oder in Piper (Steiermark).
Ich durfte mal ein bisschen hinter die Kulissen der legendären Spanischen Hofreitschule in Wien schauen.
Spanische Hofreitschule – Ein Blick in die Geschichte
Die Geschichte der Hofreitschule geht wohl schon auf das 15. oder 16. Jahrhundert zurück. Sie hat von Beginn an die Zielsetzung, die klassische Reitkunst hochzuhalten und zu verbreiten.
Ihre heutige Form bekam sie im 18. Jahrhundert unter den Kaisern Josef I. und Karl VI.. Besonders der Letztere – Vater der berühmten Maria Theresia – ist für die Geschichte der Hofreitschule wichtig. Er ließ 1729–1735 die heutige Winterreitschule errichten, deren Baumeister kein geringerer war als Hofbaumeister Johann Bernhard Fischer von Erlach. Sein Bildnis hängt bis heute an prominenter Stelle in der großen Reithalle und die Bereiter grüßen ihn zum Dank für den Bau der wohl berühmtesten Reithalle der Welt.

Eine eigene Pferderasse für den Kaiser
Ihren Ursprung hat der Name der Hofreitschule natürlich in Spanien. Zu Anfang wurde mit den eleganten Pferden einer spanischen Rasse gearbeitet. Mit den Jahren entstand aber die Idee einer eigenen, besonderen Rasse, die im (heute) slowenischen Lipizza gezüchtet wurde.
Die Lipizzaner sind eine besondere Pferderasse, die nicht nur durch ihre Eleganz bestach. Besonders sind sie auch, weil sie als schwarze Fohlen zur Welt kommen und erst mit den Jahren „nachschimmeln“ und somit weiß werden. Das passiert jedoch nicht mit allen Tieren. Etwa jedes Hundertste Pferd bleibt zeitlebens dunkel. Sie spielen in der Hofreitschule eine besondere Rolle. Denn der Legende nach soll die Hofreitschule so lange weiterbestehen, wie ein brauner Lipizzaner-Hengst im Stall steht (derzeit sind es drei).
Besonders sind die Hengste auch, weil ihr Leben sich selbstverständlich nicht nur zwischen Hofstallungen und Reithalle abspielt. Die Beamten haben 12 Wochen Urlaub im Jahr, den sie in den Stallungen am Heldenberg verbringen. Es gibt eine Art Rotationssystem – die Tiere werden natürlich auch am Heldenberg trainiert, wenn auch weit weniger. Hier haben sie die Gelegenheit, auf der Koppel zu toben oder die Ruhe im Stall zu genießen. Spannend zu wissen ist übrigens, dass die Hengste, bevor es das Gestüt am Heldenberg gab, im Sommer in den Stallungen der Hermesvilla im Lainzer Tiergarten untergebracht wurden.
Mit dem Zerfall des Habsburgerreichs wurde der Fortbestand der Pferderasse ungewiss. Lipizza liegt in Slowenien, eine weitere Zusammenarbeit war undenkbar. Man einigte sich darauf, dass die Pferde aufgeteilt werden und dass man die Zucht für die Hofreitschule im steirischen Piper fortsetzen kann.
Aufgrund der unterschiedlichen Muskelansätze sind übrigens in der Schau nur Hengste zu sehen – die Ausbildung beginnt im Alter von 4 bis 5 Jahren, tätig sind die Hengste dann bis zum Alter von 24. Dann werden sie aber nicht verkauft, sondern sie genießen ihren Ruhestand in einem der Gestüte – momentan ist sogar in Planung, ein echtes Altenheim für Lipizzaner zu errichten, wo die Tiere ganz in Ruhe ihren Ruhestand genießen können.
Stuten und Fohlen findet man normalerweise nur in Piper, wo mit 6 Hengst- und 17 Stutenlinien gezüchtet wird. Die Hengste haben dadurch übrigens auch einen Mädchennamen. Er setzt sich aus dem Namen des Vaters und einem Namen aus der Mutterlinie zusammen.
Jeder Hengst hat seine eigene Ausrüstung – genau genommen sind es sogar zwei – eine schwarze fürs Training und eine weiße für die Aufführung. Und nicht jeder Hengst ist jeden Tag in der Aufführung – die Tiere haben auch mal eine Pause.
Tipp: Jedes Jahr im Juli/August sind im Rahmen der Piper meets Vienna auch die Stuten mit ihren Fohlen für einige Wochen in der Stadt und grasen dann täglich für ein paar Stunden im Burggarten.

Kultig in der Stallburg sind übrigens die beiden wohlgenährten Stallkatzen Sisi und Garfield, die zwar die eine oder andere Maus fangen, sich wohl aber auch gelegentlich beim Kraftfutter der Pferde bedienen. Bei meinem Besuch in den Stallungen liegen sie gelangweilt im Hof und Warten auf Streicheleinheiten. Die beiden sind die heimlichen Stars der Hofreitschule.



Bereiter – ein besonderer Job
Nicht jeder darf einen Lipizzaner der Hofreitschule reiten oder sogar ausbilden. Der Job des Bereiters hat eine lange Tradition und bringt eine lange Ausbildung mit sich.
Im Alter von 15 bis 19 Jahren treten die Anwärter als sogenannte Eleve der Hofreitschule bei. Die Ausbildung dauert vier bis sechs Jahre. Erst dann wird man zum Bereiter-Anwärter und muss einen jungen Hengst bis zur Schulquadrille ausbilden und diese erfolgreich mit ihm reiten. Erst dann wird er zum Bereiter ernannt.
Lange war die spanische Hofreitschule Männern vorbehalten. Erst 2008 brach der Bann und mit Hannah Zeitlhofer wurde die erste Elevin aufgenommen. 2012 wurde sie zur Bereiter-Anwärterin und 2016 schließlich zur ersten weiblichen Bereiterin an der Spanischen Hofreitschule in Wien.
Die Winterreitschule – eine Barocke Arena
Die berühmte Reithalle von Johann Bernhard Fischer von Erlach liegt an prominenter Stelle in der Hofburg. Ihr Eingang befindet sich unmittelbar in der Michaelerkuppel.
Auf zwei Ebenen gibt es umläufig Platz für Besucher. Dazu gibt es die Kaiserloge mit dem Bildnis des Erbauers der Spanischen Hofreitschule, Kaiser Karl VI. Beim Einreiten nehmen die Bereiter hier kurz ihren traditionellen Zweispitz ab – zum Dank für den Erbau der berühmten Halle.
Die Halle ist 58 m lang, 18 m breit, 17 m hoch und hat eine von 46 korinthischen Säulen aus eggenburger Stein getragene Galerie.


Im Rahmen der Erweiterung der Hofburg, als die Halle errichtet wurde, musste sie ins Gesamtbild angepasst werden. Deshalb ist ihre komplizierte Dachkonstruktion drei Etagen hoch. Um zu gewährleisten, dass die Halle ohne Säulenstützen auskommt, existiert ein Tragesystem aus dicken Balken innerhalb des Dachstuhls, die die Decke tragen. Diese handwerkliche Meisterleistung ermöglichte auch, dass die Decke des Saals nicht von Säulen im Innenraum getragen werden muss. Es entsteht eine bis dahin kaum gekannte Weite des Lichtdurchfluteten Raums.
Der Dachstuhl ist weitestgehend noch im barocken Zustand. Einzig die Aufhängung der großen Kronleuchter wurde vor 10 Jahren ersetzt – was früher über eine Art Flaschenzug funktionierte, geht heute elektisch.




Den Pferden bei der Arbeit zusehen – Die Morgenarbeit
Die Tickets für die Aufführung sind nicht gerade günstig. Wer aber trotzdem den stolzen Hengsten gerne bei der Arbeit zusehen möchte, der kann sich Tickets für die Morgenarbeit sichern.
Sie findet täglich außer Sonntag und Montag von 10 bis 12 Uhr statt – Tickets gibt es an der Tageskasse für 15€ (Erwachsene). Die Pferde werden dabei jeweils in kleinen Gruppen von ihren Bereitern trainiert.
Fotografieren ist während dem Training und während den Aufführungen übrigens nicht gestattet – mit gutem Grund, schließlich könnten die sensiblen Tiere davon irritiert und in ihrer Konzentration gestört werden.
Trainingszentrum Heldenberg
Das Trainingszentrum der Spanischen Hofreitschule liegt gut eine Stunde von Wien entfernt in Niederösterreich, unterhalb des Heldenbergs. Hier verbringen die Hengste ihren „Urlaub“, also ihre Erholungsphasen auf dem Land. Aber es sind auch Hengste Dauerhaft im großen Gestüt eingestellt, um ihren Ruhestand zu genießen.




Man kann sowohl das Hengstgestüt am Heldenberg als auch das Gestüt in Piber in Führungen. Dabei erfährt man alles über die stolzen Tiere und die Geschichte der „Hohen Schule der Reitkunst“, über die Ausbildung der Bereiter und über die Pflege der wohl berühmtesten Hengste der Welt.
Ich kann einen Besuch an allen drei Standorten der Hofreitschule wärmstens empfehlen. Ich war bisher leider noch nicht in Piber, aber nach meinem Besuch in der Stallburg muss ich das dringend nachholen.