150 Jahre Öffentlicher Verkehr – Zu Besuch in der Remise der Wiener Linien

Immer mehr Leute verzichten auf das eigene Auto und steigen auf den öffentlichen Verkehr um. Wir in Wien sind was das angeht ja nahezu gesegnet mit einer Jahreskarte für Erwachsene für 365€, mit einem Verkehrsnetz, das zulässt, dass es nur wenige Orte in Wien gibt, die tagsüber in über 1 1/2 Stunden mit Bus oder Bahn zu erreichen sind und mit Nacht-U-Bahnen vor jedem freien Tag (also freitags, samstags und vor Feiertagen.

Dennoch hat man mit den Weiß-Roten Hochflorwagen, die besonders auf Linien wie der D, der O oder der 5 unterwegs sind, teils ein wirkliches Nostalgiefeeling.

Das heutige System hat sich in den vergangenen 154 Jahren entwickelt. Und auf seine Spuren kann man in der historischen Remise in Wien Erdberg gehen – von der Pferdetramway über den Doppelstockbus bis zum U-Bahn-Bau.

Das Verkehrsmuseum der Wiener Linien

Die historische Remise im 3. Bezirk unweit des Donaukanals zeigt die besten Stücke aus mehr als 150 Jahre Öffi-Geschichte in Wien. Auf dem 7700 Quadratmeter großen Gelände sind heute mehr als 100 historische Straßenbahnen, aber auch Busse ausgestellt. Insgesamt sind mehr als 1800 m Gleiskörper dort verlegt.

Die Idee eines Tramwaymuseums (wie es bis 2012 genannt wurde) entstand, als die Straßenbahn mehr und mehr zum Hindernis für den Individualverkehr wurde. Zahlreiche der historisch wichtigen Garnituren waren von der Verschrottung bedroht und konnten durch den Verein gerettet werden.

Als Betreiber des Eisenbahnmuseums werden die Wiener Linien von zwei Vereinen unterstützt. Zum einen ist das der Verband der Eisenbahnfreunde (VEF), zum anderen der Verein Wiener Tramway Museum. Sie betreiben auch die Werkstätte und bieten nostalgische Tramwayfahrten an. Viele der alten Garnituren in der Ausstellung oder auch in der benachbarten Werkstatt sind bis heute Fahrtüchtig. Immer wieder kann man sie in der Stadt beobachten. Man kann die Trams für diese Fahrten anmieten und zu bestimmten Anlässen werden auch Straßenbahnparaden abgehalten.

Übrigens erlangte die Remise schon als Drehort zu Berühmtheit. Nicole Scherzinger und ihre Pussycat Dolls drehten 2009 das Video zu ihrem Hit „Jai Ho“ (Titelmusik aus Slumdog Millionaire) im Straßenbahnmuseum.

Seit 2014 folgt das Verkehrsmuseum Remise einem neuen Konzept. An 15 chronologisch angeordneten Stationen kann man der Geschichte des öffentlichen Verkehrs chronologisch folgen. Darunter gibt es auch einen U-Bahn-Simulator in dem man sich als U-Bahn-Führer probieren kann.

Eine Fahrschule auf dem Weg zurück in die Garage – Remise Wien

Bei ein paar ganz besonderen Stücken durfte ich sogar einen Blick hinein werfen – was im normalen Museumsbetrieb leider nicht immer möglich ist. Ich kann euch natürlich nicht alle der 100 Ausstellungsfahrzeuge vorstellen – nur die besonderen Schätzchen.

Die Wiener Pferdetramway (1865 – 1903)

Schon zu Kaisers Zeiten begann man mit dem Ausbau eines Öffentlichen Verkehrssystems. Und alles begann mit 2 PS. Die erste öffentliche Pferdetramway nahm am 4. Oktober 1865 ihren Dienst auf und führte vom Schottentor nach Hernals (heute in etwa entlang des 43er). Zur Wiener Weltausstellung im Jahr 1873 waren schon insgesamt 554 Wägen auf 37 Streckenkilometer unterweg. Die Wagen waren offen und wurden von zwei Pferden als Zweispänner gezogen. Doch die Gewinnorientierung führte zu überhöhten Fahrpreisen. Als dann am 28. Jänner 1897 die erste „Elektrische“ ihren Betrieb aufnahm, wurden die Pferdetramways sukzessive aus dem Verkehr gezogen.

Die Pferdetramway – Im Hintergrund die Dampfbetriebene Straßenbahn

Wagen Typ D1 (1925/26)

Die Straßenbahnen des Typs D1 stammen aus den Jahren 1925/26. Sie entstanden durch Umbauten ursprünglich 1899-1902 angeschafften D-Wagen. Mit ihren schicken Holzbänken und ganz besonders mit den Messinglampen verliehen sie der „Elektrischen“ ein besonderes Flair wie ich finde.

Wagen 314
Diese Lampen…
Das hat einfach noch Flair
Das hat einfach noch Flair

Der Amerikaner – Die Nachkriegsbim

Ein besonderes Stück ist der Triebwagen Typ Z, der im Volksmund „Der Amerikaner“ genannt wurde. Er hatte eine komfortable Federung und die Rückenlehnen konnten je nach gewünschter Fahrtrichtung umgelegt werden. Dieser Wagen hat eine besondere Geschichte. Nach dem Krieg herrschte Mangel an Material. So gelang es den Wiener Linien nach der Auflassung des New Yorker Straßenbahnnetzes im Rahmen des Marshallplans 42 dieser Straßenbahnwagen kaufen, die dann Anfang 1949 per Schiff nach Wien kamen und auf die Wiener Bedürfnisse etwas umgebaut wurden. Bis 1969 war der Amerikaner auf den Straßen Wiens zu sehen.

Der Amerikaner – Typ Z

Ein Bus – Eine Legende – Der Reichsbrückenbus

Am 1. August 1976 kam es zu einem verheerenden Unglück. Morgens um 5 Uhr begann der Bus der Linie 26A seine Schicht. Als er die Reichsbrücke, heute eine der wichtigsten Verkehrsadern Wiens, passierte, verlor er plötzlich den Boden unter den Reifen. Die Reichsbrücke war auf ihrer vollen Länge eingestürzt. Neben dem Bus war noch ein weiteres Auto auf der Brücke, der Fahrer bezahlte das Unglück mit seinem Leben. Der Busfahrer hatte riesiges Glück, denn der Bus kam auf einem der Trümmerteile zum Liegen und konnte von einem Stromboot gerettet werden.

Die Geschichte des Busses war aber noch nicht am Ende. Nach gut einer Woche im Strom wurde er von einem Schwimmkran geborgen, das leicht ledierte Dach wurde ausgebeult und der Innenraum renoviert. Der Bus fuhr noch weitere 13 Jahre im Dienst der Wiener Linien – heute steht er in der Remise, ist aber noch voll Fahrtüchtig – zum 40. Jubiläum 2016 des Einsturzes fuhr er über die neue Reichsbrücke.

Mein Fazit

Ich muss ehrlich zugeben, dass ich nicht zum ersten Mal in der Remise war – zu Beginn meiner Zeit in Wien habe ich sogar 5 Jahre in der unmittelbaren Nachbarschaft gewohnt und konnte immer die liebevoll restaurierten Fahrzeuge bei mir am Fenster vorbeifahren sehen. Auch kann ich sagen, dass sich die Neuaufstellung von 2014 absolut gelohnt hat. In 15 Stationen begibt man sich auf eine regelrechte Zeitreise durch die Geschichte Wiens – mit auch den harten Zeiten der beiden Weltkriege – ich fand z.B. die einzige rein weiße Straßenbahn spannend. Sie wurde nicht im traditionellen Weiß-Rot lackiert, weil schlicht und ergreifend nach dem Krieg der Lack fehlte. Und natürlich bin ich auch nicht nur einmal über die Reichsbrücke gegangen und musste an den Einsturz denken.

Noch viel mehr Begeisterungsstürme löst das Museum aber aus, wenn man ein alteingesessener Wiener ist und sich an die vielen kleinen Details in der Ausstattung der Straßenbahnen noch erinnern kann. Ich komm ja eher vom Land – die Busse, mit denen ich zur Schule gefahren bin, waren gelb…

Schließlich ist das Museum ein wahres Paradies für Eisenbahnenthusiasten. Es ist wirklich interessant nachzuvollziehen, wie sich etwa die Technik von der Pferdetram ausgehend weiterentwickelt hat bis hin zur ausgemusterten U-Bahn-Garnitur.

Das Straßenbahnmuseum ist ein perfektes Ausflugsziel für alle, die sich auf eine kleine, nostalgische Zeitreise durch Wien begeben möchten.

Infos

Die Fahrzeuge sind im normalen Museumsbetrieb nicht alle geöffnet, ich war zu einem Spezialevent dort.

Eintrittspreise:

Erwachsene 8€ – Jugendliche ab 15 Jahre 6€

Jahreskartenbesitzer und andere bekommen jeweils 1€ Rabatt

Mit der Niederösterreichcard einmalig freier Eintritt

Öffnungszeiten

Mittwoch: 9-18 Uhr

Samstags, Sonntags, Feiertags: 10-18 Uhr

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