Stanjel – Besuch im slowenischen Karst*

Slowenien ist ein Land, das häufig unterschätzt wird. Oft ist es für Österreicher nur ein Transferland auf dem Weg an die Adria. Doch in den letzten Jahren rückt das Land immer mehr in den Reisefokus und ist 2018 mit dem Sôca-Tal sogar in Lonely Planets Top to Travel Katalog vertreten.

Ich schaue mich diesmal aber in einer Region um, die weder mit wilden Flüssen und unbezähmtet Natur wie das Sôca-Tal, noch mit einer kleinen, aber oft fotografierten Kirche auf einer Insel lockt wie Bled. Ich war im Slowenischen Karst unterwegs – im und um das mittelalterliche Dörfchen Stanjel an der Grenze zu Italien.

Mittelalterliches Stanjel

Die Geschichte von Stanjel geht sogar noch viel weiter zurück. Schon zu Hallstatt Zeiten erbauten die Menschen auf dem Hügel eine Festung, die später von den Römern eingenommen wurde. Schnell wurde sie zu einem wichtigen Handelsposten, da von hier aus der Zugang vom Karst ins nahegelegene Wippachtal kontrolliert wurde.

Im Mittelalter entstand auf den Terrassen rund um den Hügel das kleine Örtchen Stanjel, dessen Name erstmals 1402 erwähnt wurde. Die Grafen von Görz ließen die kleine Siedlung mit einer Wehrmauer ausstatten und so gegen die einfallenden Osmanen zu schützen.

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Das Schloss von Stanjel – Frisch restauriert

Bis ins 19. Jahrhundert lebten die Grafen Cobenzl im Karst und bauten das Örtchen zu ihrer Residenz aus. In der dortigen Kirche ist die Grabliege der Grafen.

Eines der beeindruckendsten alten Gebäude stammt aus romanischen Zeiten und wurde zu einem kleinen Museum – dem typischen Karsthaus – ausgestattet.

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romanisches Karsthaus

Obwohl der Erste Weltkrieg im Gebiet besonders schlimm tobte, blieb Stanjel als österreich-ungarische Lazarettstadt weitestgehend unangetastet. Erst der Zweite Weltkrieg brachte Zerstörung, als Jugoslawische Partisanen das Schloss und einige umliegende Gebäude niederbrannten. Es wurde erst in den 1960er Jahren wieder neu aufgebaut.

Trotz des verheerenden Brandes ist noch vieles von der mittelalterlichen Bausubstanz erhalten geblieben. So erkennt man sogar an Mauerresten noch die Zeichen für eine Bäckerei im Mörtel. Auch die vielen kleinen Häuschen, die heute zahlreiche Kunstgallerien und Ateliers enthalten, sowie weite Teile der Stadtbefestigung haben den Brand damals überstanden.

Lunch im Bistro Grad Stanjel

Aber kommen wir erstmal zum Wichtigsten – zur Stärkung. Dafür bietet sich im Ortskern das Bistro in der kürzlich restaurierten Burg an. Im alten Burghof unter den schattenspendenden Bäumen werden hier erlesene Speisen aus regionalen Erzeugnissen serviert. So gibt es Prociutto (den italienischen Einfluss auf die Küche im slowenischen Karst kann man nicht verleugnen), frische Brennesselsuppe, selbstverständlich sind auch die Weine regionale Erzeugnisse.

Kontakt: Bistro Grad Stanjel – Štanjel 1a, 6222 Štanjel, Tel.: +386 (0)5 731 00 70
www.gradstanjel.si

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Stanjel und Max Fabiani

Die Zwischenkriegszeit prägte der Architekt Max Fabiani (Wiener Urania), der in Stanjel auch kurze Zeit Bürgermeister war. Allerdings hinterließen auch italienische Faschisten ihre Spuren – nahe der Kirche erkennt man deutlich ein „DUCE“-Grafiti, das aus dieser Zeit stammt.

Nachdem Fabiani die Zerstörung ganzer Dörfer im Karst sah, entschied sich der in Kobdilj geborene Schüler von Otto Wagner, wieder nach Slowenien zurückzukehren. Er leitete dort den Wiederaufbau und baute beinahe 100 Häuser.

Im historischen Ortskern von Stanjel gestaltete er für seinen Schwager Enrico Ferrari eine Villa, indem er mehrere der kleinen Häuser miteinander verbannt. Zur Villa Ferrari gehört auch der große Park, der direkt vor der Stadtmauer angelegt wurde.

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Villa Ferrari – Gartenseite
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Ferrarigarten
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Villa Ferrari – Dorfseite

Genuss in der Villa Fabiani – Besichtigung Mai – Oktober jede zweite Woche im Monat oder nach Vereinbarung (Eintritt 10€)

Als Fabiani in den 1930er Jahren zurückging nach Stanjel, die Heimat seiner Eltern, zurückkehrte, lebte er im mehr als 600 Jahre alten Landgut seiner Vorfahren in Kobdilj, in dem er geboren wurde.

Rund um den legendären, aus dem Liebesroman „Der Maulbeerbaum der Fabianis“ bekannten, mehr als 500 Jahre alten Maulbeerbaum, wird bis heute der berühmte Dessertwein Picolit angebaut. Der Maulbeerbaum hat unvorstellbare Geschichte erlebt und bietet schon aufgrund seiner schieren Größe einen atemberaubenden Anblick und eine grandiose Kulisse für gemütliche Abende bei einem Gläschen Wein. Wenn man genau hinsieht, erkennt man sein Alter, gestützt von einer Steintafel wird er wohl schon den einen oder anderen Blitzeinschlag erlebt haben – sicher ist aber, dass er die Verminung des Geländes durch die Jugoslawen im Zweiten Weltkrieg besser überstanden hat als das umliegende Gelände, das teils niedergebrannt wurde.

Das Landgut mit seinen ausgedehnten Parks und Weingärten wurde von der Familie Malgaj gekauft und renoviert. Seit Mai 2016 kann man es für Veranstaltungen buchen. Ich kann mir kaum eine schönere Kulisse z.B. für eine Hochzeit vorstellen. Einige luxoriöse Zimmer für die Übernachtung sind gleich im restaurierten Landgut.

Kobdilj ist von Stanjel aus über einen etwa 10 Minuten Themenspaziergang erreichbar.

Die Familie Malgaj hat in Slowenien eine gewisse Berühmtheit, da sie die Vertretung für Porsche im Land innehat und eine beachtliche Sammlung von Porsche Oldtimern besitzt. Daher ist in Kobdilj auch ein kleines aber feines Porschemuseum mit insgesamt 23 Oldtimern.

Kontakt: Zavod Fabiani, Kobdilj 39, 6222 Stanjek – Email: fabiani@malgaj.com

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Fabianis Maulbeerbaum
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Restauriertes Gutshaus
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Genuss im Karst

*Der Artikel entstand im Rahmen einer Internationalen Pressereise im Juni 2018

 

Unterkünfte in Stanjel findet ihr hier (Affilate Link – Führt zu booking.com)

11 Kommentare

  1. Ich hatte Slowenien tatsächlich bislang auch nicht wirklich auf dem Fokus, nicht mal als “Transferland” allerdings sollte es wohl unbedingt auf meine Bucket List, dein Beitrag macht richtig Lust das Land zu erkunden!

    Viele Grüße
    Isa von  lustloszugehen

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  2. Hallo!
    Danke für den Beitrag, ich hatte Slowenien bis jetzt auch noch nicht auf dem Schirm. ABER die Bilder machen Lust auf Slowenien.
    Viele Grüße
    Wolfgang

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  3. Ich hatte früher immer schon Slowenien auf meiner Liste, als es noch zu Jugoslawien gehörte. Danke, dass Du nicht in Bled warst. Instagram ist so zugeschüttet davon, dass ich deinen Artikel ganz erfrischend finde.
    Herzliche Grüße Claudia

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  4. Schöner Bericht ^^ Ich war in Europa noch nicht so an vielen Orten, möchte es aber bald ändern. Ich denke mit Slowenien werde ich mich auch noch etwas beschäftigen 🙂

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  5. Slowenien stand auch bei mir bisher nicht auf der Liste. Generell zieht es mich nicht so in den Osten. Man kann jedoch schon einen gewissen Trend zu alternativen Reisezielen erkennen. Ist ja auch nicht verwunderlich bei den Touristenmassen, die sich an den bekannteren Orten bereits tummeln.
    Jedenfalls ein sehr schöner Beitrag abseits des Mainstreams. 🙂
    Liebe Grüße
    Julie

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