„Die Stadt ohne…“ – Eine bewegende Ausstellung im Wiener Metro-Kulturhaus

Was wäre die Welt ohne… Juden, Ausländer, Flüchtlinge? Die Frage stellt derzeit eine spannende Ausstellung im Wiener Metro-Kino-Kulturhaus in der Johannesgasse im 1. Bezirk. Basis ist ein vielleicht sogar hellseherischer Film aus dem Jahr 1924.

Die Stadt ohne…

„Die Stadt ohne Juden“ – Geschichte eines Films

Der Film „Die Stadt ohne Juden“ entstand im Jahr 1924 unter der Regie von H.K. Breslauer. Als Basis diente der gleichnamige Roman des später von Antisemiten ermordeten Schriftstellers Hugo Bettauer, eine der Hauptrollen übernahm der später zur Legende gewordene Hans Moser.

Der Film basiert auf der historischen Lage im Wien – im Film Utopia genannt – der 20er Jahre. Im Volk macht sich aufgrund der finanziellen Krise die Angst vor einer sozialen Deklassierung breit. Schnell ist ein Sündenbock gefunden – man fordert die Ausweisung aller Juden. In der Politik findet sich in Bundeskanzler Schwerdtfeger schnell ein Fürsprecher, der die Stimmung mit seinen Reden vorm Parlament weiter anheizt. Und so kommt es relativ schnell zum Auszug der Juden aus der Stadt, der in all seinen tragischen Details vorgeführt wird. Im Volk macht sich zunächst Hochstimmung breit – doch darauf folgt schnell die Ernüchterung – der wirtschaftliche Aufschwung bleibt aus, Kaffeehäuser stehen leer, der Handel geht zurück oder verlagert sich in die großen Nachbarstädte, Wien verdorft. Dem Juden Leo Strakosch gelingt es jedoch, mit gefälschten Papieren nach Wien zurückzukehren. Ihm gelingt es, die öffentliche Meinung so zu beeinflussen, dass die Juden nach Wien zurückkehren dürfen. Er platziert überall fiktive Plakate des „Bundes Wahrer Christen“, die auf die Verschlechterung der Verhältnisse nach dem Auszug der Juden aufmerksam machen. Schließlich wird die Harmonie innerhalb des Ganzen Volkes gezeigt, indem zwei Christlich-Jüdische Paare wiedervereint sind – ein glücklicher und harmonischer Ausgang.

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Daham statt Islam Kampagne

Schon kurze Zeit nach seiner Entstehung geriet der Film in Vergessenheit. Erst 1991 wurden Teile im niederländischen Filmmuseum in Amsterdam wiederentdeckt. Doch aufgrund der starken Zersetzung des Nitrofilms konnten nur Fragmente gerettet werden. 2015 kam es dann zu einer spektakulären Wende, als Filmsammler eine vollständige Kopie des Films auf einem Pariser Flohmarkt entdeckten. Die stark beschädigten Filmrollen wurden dem österreichischen Filmarchiv übergeben – mithilfe einer Crowdfunding Kampagne konnten die finanziellen Mittel zur Restaurierung aufgebracht werden – seit März 2018 wird der Film im Metro-Kino-Kulturhaus passend zur zugehörigen Ausstellung aufgeführt.

Ausstellung „Die Stadt ohne…“

Die Ausstellung stellt die 5 Phasen des Films mit gegenwärtigen Entwicklungen aus der Zeit, die kurz nach dem Film beginnt und im Nationalsozialismus endet und mit Entwicklungen in unserer heutigen Gesellschaft gegenüber und findet dabei ein verstörendes Spiegelbild.

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Schmiererein

Die Ausstellung zeigt, wie die Ausschlussmechanismen einzelner Gruppen funktionieren und wie sie schließlich in Gewalt münden können – Gewalt gegenüber Juden, Ausländern, Flüchtlingen. Im Fokus stehen die 5 Leinwände, die Szenen aus dem Film zeigen. Schaut man hinter die Leinwände, sieht man etwa Wahlplakate oder Aussagen einzelner Politiker (aus allen Parteien übrigens!). Man wird an einzelne, teils noch gar nicht so lange zurückliegende Ereignisse erinnert, etwa das Bild des glücklichen Flüchtlingsmädchens, das sich im Sommer 2015 dank der Feuerwehr abkühlen darf – dem werden die Facebook-Postings zu dem Thema gegenübergestellt. Gezeigt werden auch Schmierereien im öffentlichen Raum oder auch das Burschenschafter-Gesangbuch, das kürzlich in den österreichischen Medien war.

Im Mittelpunkt, zwischen den Leinwänden, stehen die Fotografien von leeren Wohnungen, deren jüdische Besitzer in die Konzentrationslager verschleppt oder geflohen waren.

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Die Stadt ohne – Eine Ausstellung 

„Die Stadt ohne…“ zeigt sicherlich nichts Neues – dass es diese parallelen Entwicklungen, nicht nur in Österreich, sondern auch in anderen Ländern, gibt, sollte eigentlich jedem bewusst sein. Trotzdem ist es erschreckend und verstörend, wenn es einem so haarscharf vor Augen geführt wird. Im Film geht die Geschichte gut aus, er zeigt, wie wichtig Harmonie unter den Völkern ist – die Juden dürfen nach Utopia/Wien zurückkehren – doch im wahren Leben ging es schon einmal sehr schlimm aus und wer weiß, wo uns die gegenwärtigen Entwicklungen hinführen. Wenn die Aussage der Ausstellung auch nur einen erreicht, der das gesellschaftliche Problem bisher noch nicht erkannt hat, hat sie ihre Wirkung schon erfüllt.

Info

Die Ausstellung ist noch bis Jahresende im Metrokinokulturhaus (Johannesgasse 4, 1010 Wien) täglich von 15 – 21 Uhr zu sehen. Der Eintritt beträgt regulär 7,50€, ermäßigt 6€.

5 Kommentare

  1. Klingt wirklich sehr interessant. Da die heutige Lage hineinzuversetzen wäre einmal ein Versuch.
    Danke für den tollen Beitrag 🙂

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  2. Wir scheinen ziemlich ähnliche Interessen zu haben. Diese Ausstellung steht bei mir auch noch auf dem Plan. 😉
    Ein wirklich interessanter Artikel! Vielen Dank dafür!
    Liebe Grüße
    Julie

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  3. Eine interessante Ausstellung zu einem wichtigen Thema! Schön, dass du darauf aufmerksam machst! Ich wohne aber leider auch zu weit weg!

    Liebe Grüße
    Jana

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