(Pressereise) Pot Miru – Entlang des Friedensweges durch Slowenien

Ich muss ehrlich sein – aus dem Schulunterricht kannte ich das wohl blutigste Schlachtfeld des Ersten Weltkriegs nicht, und das obwohl ich Geschichte als Leistungskurs hatte. Vermutlich liegt es daran, dass aus Deutscher Perspektive der Zweite Weltkrieg in den Köpfen der Menschen eine weit größere Rolle spielt als der eigentliche Beginn der größten Katastrophe der Menschheit.

Das Tal der Soca ist heute ein echtes Urlaubsparadies. Nicht umsonst schaffte es das Tal in den Julischen Alpen 2018 sogar unter die Top Ausflugsziele des Lonely Planet Best in Travel Katalogs. Man findet hier nicht nur beste Bedingungen für Wassersportler, der intensiv türkisblaue Fluss ist für Wildwasserkanuten und Rafting Fans sicher kein Geheimtipp mehr. Auch unter Wanderern ist das Tal der Soca extrem beliebt.

Mich führte jedoch ein anderes Thema in die Region. Denn an kaum einem Ort – vielleicht ausgenommen die Normandie – sind die Relikte einer Zeit so dicht gesammelt wie hier. Ich spreche über eine Zeit, die uns heute kaum näher sein könnte. So gehen wir auf eine Zeitreise um ziemlich genau 100 Jahre…

Isonzofront – Wer? Wo? Warum?

Der Erste Weltkrieg tobte bereits 10 Monate. Die Fronten tobten bereits auf beiden Seiten – im Westen kämpften die Deutschen, im Osten die kaiserlichen Armeen des k.u.k. Italien wurde mit Versprechungen verlockt, seine Neutralität zu beenden und in den Krieg gegen die Österreich-Ungarische Armee einzutreten. Vor allem ging es hierbei um Gebietsgewinne entlang der kaiserlichen Küstenlinie zwischen Trieste und Pula sowie Südtirol.

Am Isonzo tobten insgesamt 12 Schlachten, wobei 11 Offensiven von den italienischen Truppen ausgingen. Über 29 Monate hinweg gab es kaum messbare Gebietsgewinne, doch es starben Schätzungen zufolge mehr als 1 Mio. Soldaten auf dem Schlachtfeld (offizielle Zahlen liegen bei 300000, Experten sagen, es könnten 4x so viele gewesen sein).

Erst nach 29 Monaten konnte die k.u.k. Armee, massiv unterstützt durch Deutsche Truppen einen Durchbruch an der Front erzielen. Dieser Vorstoß wurde dann jedoch im November 1917 an der Hochwasser führenden Piave wieder gestoppt, wo sich die italienische Armee unterstützt durch die Briten und Amerikaner wieder stabilisieren konnte.

Gleich zu Beginn wurden die Bewohner des Tals vertrieben. Nach ihrer Rückkehr fanden sie zerstörte Häuser und Höfe, nur wenige Orte blieben beinahe unangetastet, etwa Kobarid, in dem sich heute ein Museum mit der Frontgeschichte beschäftigt.

Pot Miru – Weg des Friedens 

Die Idee, die zahllosen Weltkriegsmonumente zwischen dem Karst und der Quelle der Soca zu einem Weg zusammenzuführen, entstand 2000. Seit dem wurden zahllose Kavernen, Gräben, Museen, Freilichtmuseen und Kriegsfriedhöfe zusammengeführt und bilden den 250 km langen Pot Miru, der mit der Kaverne von Bovec beginnt und an der Adria endet. 

Ich habe mir immer wieder entlang das Pot Miru die Frage gestellt, warum Menschen dazu in der Lage sind, sich so etwas anzutun – und vor allem warum sie bereit sind, es wieder zu tun.

Ich habe für euch die beeindruckendsten Monumente entlang des Pot Miru zusammengestellt.

Soldatenfriedhöfe im Karst und in den Bergen

Das offensichtlichste Anzeichen für die Gegenwart des Ersten Weltkrieges sind die zahllosen Soldatenfriedhöfe, die bis heute entlang des Sôca gepflegt werden. Der größte liegt in der Nähe von Stanjel im kleinen Örtchen Gorjansko. Schätzungen zufolge wurden hier mehr als 10000 Soldaten bestattet, viele davon starben im Spital von Stanjel, sogar auch noch ein halbes Jahr nach Kriegsende. Österreich-Ungarische Soldaten aus verschiedenen Nationen und unterschiedlichster Dienstgrade wurden hier bestattet, auch einige jüdische Gräber sind erhalten geblieben.

Für mich war dieser Soldatenfriedhof ein guter Startpunkt auf dem Pot Miru, da einem hier gleich ins Bewusstsein kommt, wo die Geschichte der Isonzofront enden wird. Im Ersten Weltkrieg starben offiziellen Zahlen zufolge mehr als 9 Millionen Soldaten – Schätzungen zufolge waren es bei weitem mehr. Allein am Isonzo waren vermutlich mehr als Eine Millionen Opfer zu beklagen. Wenn man sich die hier erhaltenen Grabinschriften anschaut, wird einem bewusst, dass der Krieg alle Klassen, alle Nationen und alle Religionen betroffen hat.

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Cerje Monument (nur am Wochenende geöffnet)

Auf einer Anhöhe unweit des kleinen Örtchens Miren steht das 2013 eröffnete Monument, das als Gedenkstätte für die Verteidiger des slowenischen Bodens angelegt ist. Vom 7-Stöckigen Turm, der wie ein Bollwerk auf dem Karstplateau angelegt ist, hat man einen beeindruckenden Rundumblick auf die Julischen Alpen, die Dolomiten, das Friaul und den nördlichen Teil der Adria.

Das Monument schickt seine Besucher auf eine Reise durch die Slowenische Geschichte, zeigt vor allem deren Wendepunkte. Im Foyer etwa sieht man eine der ältesten Slowenischen Schriften und über ihr den Sternenhimmel des Tages, an dem Slowenien als freies Land anerkannt wurde. Im Ersten Stock gibt es eine multimediale Präsentation der Sôca Frontlinien und in der oberen Etage bekommt man schließlich einen beeindruckenden Rundumblick, der den Blick in die Zukunft repräsentiert.

Die Dauerausstellung ist momentan noch nicht fertiggestellt, momentan werden zahlreiche Sonderausstellungen gezeigt.

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Pečinka Höhle – Unweit des Cerje Monuments (GPS: 45.86247, 13.61989)

Die Höhle von Pečinka steht für viele der natürlichen Höhlen im Karst Sloweniens. Sie wurden häufig von österreich-ungarischen Soldaten für Kriegszwecke umgestaltet. Die Pečinka – Höhle wurde schon in der Urzeit bewohnt, was Keramikfunde aus dem Jahr 1909 belegen.

Zu Kriegszeiten wurde ein Stollen angelegt, der bis auf die Spitze des Hügels führte. Dort war ein Beobachtungsposten mit Scheinwerfer angelegt, sie diente den Soldaten hauptsächlich als Schutzraum und war mit mehrstöckigen Strohbetten ausgestattet. Während der 9. Isonzooffensive konnten die Italiener die Höhle erobern.

Beengt und kalt ist es in der Höhle. Aber es ist sicher – zumindest sicherer als in einer der vielen in den vielen Gräben oder in den kleinen Kavernen, die als Schutzräume in den Fels gesprengt wurde.

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Erzherzog Josef Denkmal und Borojevićs Tron – etwa 20 min zu Fuß durch die Gräben des Krieges von der Höhle entfernt (GPS: 45.86274, 13.62148)

Nur einen kurzen Spaziergang vom Eingang der Höhle entfernt findet man zwei Monumente des Krieges. Auffälliger ist das vom 43. Infantrieregiment erbaute Denkmal für den Befehlshaber des  7. österreichisch-ungarischen Korps, dem Erzherzog
Joseph. Granaten unterschiedlicher Größe umrahmen die Gedenktafel, die auch gleichzeitig als Wegweiser fungierte, sie zeigt die Richtung und Entfernung zu den nächsten Orten Lokvica und Kostanjevica.

Direkt neben dem Denkmal findet man einen von Hand bearbeiteten Steinstuhl, der nach dem Befehlshaber der 5. österreichisch-ungarischen Armee Svetozar Borojević von Bojna benannt wurde.

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Heiliggeistkirche Javorca

Für mich persönlich ist die kleine Kirche am Ende der Welt eines der eindrucksvollsten Friedensdenkmäler die ich je erlebt habe. Von Tolmin aus führen 8 km einen engen Feldweg hinauf in die Berge, eine alte Versorgungsstraße der k.u.k Armee, gelegentlich hält man mal die Luft an, dass kein Gegenverkehr kommt. Vom Parkplatz am Ende sind noch etwa 20 Minuten Fussmarsch notwendig, bis das kleine Gebäude aus Holz in Sicht kommt. Die Kirche wurde 1916 von den Soldaten der Österreich-Ungarischen Armee inmitten des eigenhändig Schlachtfelds gebaut. 

Schon rein äußerlich steht die Kirche als Symbol für die Monarchie. Insgesamt 11 Wappen der kämpfenden Staaten sind in das Holz geschnitzt. Die Kirche wurde keiner bestimmten Religion gewidmet, da hier auf dem Schlachtfeld aufgrund der enormen Vielfalt im Vielvölkerstaat Soldaten aller Religionen nebeneinander kämpften. Alle konnten an der Messe teilnehmen – doch dafür war die Kirche eigentlich zu klein, so dass auch die Stufen hinauf voll mit Soldaten waren.

Innen dann erkennt man den typischen Jugendstil. Die Gestaltung der Kirche übernahm ein Schüler des legendären Wiener Stadtplaners Otto Wagner. Die Wände tragen Namen. Man brannte die Namen der im ersten Jahr des Kampfes gefallenen Kameraden in alte Monitionskisten und widmete ihnen so das Gebäude.

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Freilichtmuseum Kolovrat

Ich bin noch nie in einem Kriegsgraben gewesen. Ja, in einem Museum hat man sie nachgebaut – aber direkt im Gelände ist das etwas ganz anderes. Am Kolovrat hatten die italienischen Soldaten in 3. Verteidigungslinie Stellung bezogen und konnten diese auch bis zur 12. Isonzoschlacht halten. Am 24. Oktober 1917 begannen die k.u.k Truppen unterstützt durch die Deutschen ihren Angriff hier und am Stol. Eine Schlüsselstellung nahm hier der im Zweiten Weltkrieg als Wüstenfuchs bekannt gewordene Erwin Rommel ein, der die 12. Isonzo Offensive detailiert in seinem Buch „Infanterie greift an“ beschreibt. Einige seiner Zeichnungen erkennt man auch auf den Infotafeln, die die Isonzooffensive erläutern.

Vom Verein Pot Miru wurden hier zahlreiche Gräben in ihren Ursprungszustand zurückversetzt. Sogar die originalen Dächer der Gräben wurden bei Dorfbewohnern zurückerworben. So kann man miterleben, wie sich die Soldaten hier damals Beobachtungsposten bezogen und das Tal bis hinunter nach Tolmin einsehen könnten.

Am Kolovrat, wenn man am italienischen Grenzstein steht, an der höchsten Stelle des Berges – seit 1947 verläuft die Grenze hier wieder bis auf wenige Ausnahmen wie vor 1914 – wird einem ins Bewusstsein gerufen, dass hier zwei gigantische Kriege stattgefunden haben, am Grenzverlauf haben all die Toten allerdings nichts verändert.

Im Juli und August finden jeden Freitag um 10 und 12 Uhr geführte Touren statt. Eintrittspreis 10€/Pers. Anmeldungen werden bis  9 Uhr unter turizem@potmiru.si oder 00386(0)53890167 entgegengenommen. Treffpunkt ist der Parkplatz am Kolovrat. Ansonsten kann man die Gräben und Kavernen auch individuell durchlaufen. Gelegentlich ist eine Taschenlampe nützlich!

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Weltkriegsmuseum in Kobarid 

Schon der Eingangsbereich des Museums wirkt bedrückend. Man steht vor einer Ansammlung von am Krieg beteiligten Nationen. Auf der rechten Seite sieht man die Bilder von am Krieg beteiligten Soldaten. Wendet man den Blick zur linken Seite, erkennt man die Grabkreuze aus Beton, die von einem der vielen Gräberfelder aus der Gegend von Kobarid stammen.

Kobarid galt aufgrund seiner Lage am Schnittpunkt der Täler der Sôca und der Nadiža als besonders umkämpft und war in seiner Geschichte schon mehrfach Schauplatz blutiger Schlachten. Schon zehn mal änderte sich die Zugehörigkeit des Ortes.

Im Museum wird die Geschichte Kobarids insbesondere während der Isonzoschlachten erzählt, eine Geschichte von viel Leid. Im weißen Raum werden etwa die Soldaten gezeigt, die im Winter teils in 7 – 9 m Schneedecke eingehüllt wurden. In der oberen Etage wird anhand einer Multimediapräsentation gezeigt, wie wenig sich die Frontlinie während der ersten 11 Schlachten bewegte und wie die 12. Isonzoschlacht schließlich dazu führte, dass sich die Front um 200 km Richtung Westen verschob.

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Rund um den Heiligen Berg Sveta Gora

Unweit von Nova Gorica liegt Sloweniens heiliger Berg. Sveta Gora ist eines der bekanntesten Wallfahrtsziele und einer der ersten Orte, der unter dem Krieg am Isonzo leiden musste. Wie in vielen Bergen rund um die Sôca findet man auch hier zahllose Überreste des Krieges, Kavernen und Gräben.

Die ursprüngliche Kirche wurde im 16. Jahrhundert errichtet, da hier schon im Mittelalter Marienerscheinungen dokumentiert wurden. Schon relativ früh im Krieg wurde das Franziskanerkloster verlegt und Kunstschätze in Sicherheit gebracht, darunter das Altarbild, das Palmo der Ältere 1544 anfertigte. Nur ein paar wenige Pater blieben, doch auch sie mussten fliehen, kurz bevor die Kirche zwischen die Frontlinien kam und völlig zerstört wurde. Die heutige Kirche wurde ab 1928 nach alten Plänen wieder errichtet.

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Flitscher Klause Bovec

Die Flitscher Klause markiert den eigentlichen Beginn des Pot Miru. Am Oberlauf der Isonzo gelegen war die kleine Festung schon vor dem Krieg Stützpunkt der k.u.k Armee. Strategisch war sie am Koritnicaflusses gelegen und verschloss dort eine wichtige Engstelle. Damit überwachte man das Bovecbecken und den Übergang zum Predelpass, von dem aus man das Innere der Monarchie hätte erreichen können.

Aufgrund ihrer Lage war sie strategisch auch während der Isonzofront von größter Bedeutung. Man konnte hier keine direkten Angriffe der Italiener erwarten, weshalb man hier Befehlshaber einquartierte. Daher wurde sie ausgebaut und unter anderem sogar mit einem eigenen Elektrizitätswerk ausgestattet, um die Stromversorgung abzusichern.

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7 Kommentare

  1. Sehr interessanter Beitrag! Von Slowenien schwärmen immer mehr in meinem Umfeld! 🙂
    Du hast sehr viele Infos zusammengetragen, die sicherlich noch anderen gefallen und vor allem weiterhelfen. Füge doch noch eine Grafik für Pinterest an, damit noch viel mehr Menschen von Deinem tollen Beitrag erfahren! 🙂

    Liebe Grüße aus Berlin. ♥
    XX,
    http://www.ChristinaKey.com

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  2. Wow, das find ich ja einen unglaublich interessanten Weg! Ich bin gar nicht so weit weg von Slowenien, da könnt ich mal hinunter starten, denn ich hab echt was übrig für historische Strecken und Wanderungen. Danke für die vielen nützlichen Infos!
    LG Barbara

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  3. Ein toller Beitrag mit sehr schönes Fotos, ich finde Fotos unterstreichen das Ganze immer perfekt! Über diese Dinge sollte man sich tatsächlich immer mal wieder Gedanken machen, damit sie nicht in Vergessenheit geraten. Und Slowenien ist auch ein sehr schönes Land.

    LG Eileen
    http://www.eileens-good-vibes.de

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  4. Eine sehr schöner Beitrag, ich hätte nie gedacht, dass Slowenien so tolle Ecken hat. Aber warum? Weil ich mich ehrlich gesagt noch nie damit auseinander gesetzt hat. Ich habe über verschiedenen Blogs mitlerweile viele verschiedenen Städte und Länder entdeckt, von denen ich es nicht für möglich gehalten habe, dass sie so schön sind.
    Viele liebe Grüße Anja

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  5. Wirklich interessant. Dein Artikel stimmt nachdenklich. Warum wirklich, und warum immer wieder, und warum lernt die Menschheit kaum aus der Vergangenheit?

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