Hallo Leute!
Namibia hieß ja mal anders. Exakt 31 Jahre lang – von 1884 bis 1915 trug das Land im Südwesten Afrikas den Namen „Deutsch-Südwest“ und war eine der wenigen Kolonien des deutschen Kaiserreichs. Eigentlich denkt man, dass das lange her ist und dass es ja nur etwas mehr als 30 Jahre waren. Die Spuren werden nach 101 Jahren längst verwischt sein. Aber da täuscht man sich. Daher haben wir uns bei unserer Rundreise auch ein kleines bisschen auf Spurensuche begeben.
Erste Spuren finden sich schon im Zentrum der Hauptstadt Windhoek. Als erstes stößt man dabei auf eine kleine, rote Kirche, die man so auch im Münsterland oder irgendwo an der See finden könnte. Die Christuskirche gehört zur Evangelisch-Lutherischen Gemeinde in Windhoek und wurde 1907 bis 1910 vom deutschen Architekten Gottlieb Redecker errichtet. Gleich beim Portal wird man auf Deutsch begrüßt und tritt ins Innere der Kirche. Die ist – wie die meisten protestantischen Kirchen, relativ wenig geschmückt. Im Altarraum fällt einem einzig die Farbverglasung ins Auge, die tatsächlich Kaiser Wilhelm II. persönlich gestiftet hat. Sie wurden witzigerweise erst verkehrtherum eingebaut und erst fast 100 Jahre nach der Weihe ausgebaut und gedreht. In Erinnerung bleibt auch die riesige Bronzetafel, die an die Gefallenen der verschiedenen Aufstände erinnert. Dabei stehen aber nicht die Eingeborenen im Fokus (der Völkermord an den Herero wurde ja kürzlich im Zusammenhang mit der Armenienresultion heiß diskutiert). Es stehen deutsche Soldaten auf dieser Tafel, mit Vermerk wo und wann sie den Kriegen und Aufständen zum Opfer gefallen sind.
Die nächste Spur in Windhoek ist nicht weit vom Portal der Kirche entfernt. Die Alte Feste mit Reiterdenkmal beherbergte einst das Nationalmuseum ist aber momentan aufgrund des Geldmangels immer mehr dem Verfall preisgegeben. Eine für mich amüsante Geschichte steckt hinter dem Reiterdenkmal, das den berühmten Südwester Reiter darstellt und an die Kriege des deutschen Kaiserreichs gegen die Nama und die Herero erinnern soll. Bis 2013 war es ein Nationaldenkmal und thronte über der Stadt. Doch da es als Siegesdenkmal an eine schmerzliche Zeit für die schwarze Bevölkerung erinnerte, wurde ihm dieser Status aberkannt. Jetzt steht der Reiter im für die Öffentlichkeit zugänglichen Hof der Alten Feste und rostet vor sich hin.
Eine wohl überraschend deutsche Stadt in Namibia findet man an der Atlantikküste – in Swakopmund. Hier gehört das Deutschtum quasi zum guten Ton und man kann nicht nur eine Blackforrest – also eine Schwarzwälder Kirsch mit einem Kännchen Kaffee im Café Anton genießen, sondern abends auch Jägerschnitzel in Kückis Pub unterhalb von einem Porträt von Scooter genießen. Auf Briefkästen sieht man noch immer die Reichskriegsflagge und mit dem Leiter des Museums lässt sich herzerfrischend darüber diskutieren, dass der „Neger die deutsche Jugend verdirbt“ (ja, das hat er wirklich gesagt). Swakopmund ist also quasi sowas wie das Sachsen Namibias. Aber dieser wirklich spezielle Flair darf auf keiner Namibia-Reise fehlen. Man schaut immer wieder automatisch in Google Maps, ob man nicht doch irgendwo auf Sylt gelandet ist und muss sich immer wieder in Erinnerung rufen, dass der Pilot sich bei 10 Stunden Flug von Frankfurt da schon ganz ordentlich verflogen haben müsste.
Auch im Etosha haben die Deutschen ihre Spuren hinterlassen – in Form des alten Forts in Namutoni, das man noch heute besichtigen kann. Weiter in Richtung Tsumeb gab es ganze Bergarbeiterstädte aus dem Siegerland, die hierher versetzt wurden. In Tsumeb gibt es ein spannendes kleines Museum, das sich der Geschichte der Deutschen in der Gegend annimmt. Hier werden unter anderem Waffen ausgestellt, die die Deutschen kurz vor Ende des Krieges in Südwest in einem nahen See versenkten. Man hat sie wieder nach oben geholt und restauriert.
Eine ganz besondere Spur haben die Deutschen auch auf der Landkarte hinterlassen – der Caprivi-Streifen ist eine merkwürdige, fast 500 km lange Ausbuchtung auf dem namibischen Territorium. Diese entstammte der Bestrebung, eine territoriale Verbindung der deutschen Gebiete (Deutsch-Südwest und Deutsch-Ost) zu schaffen. Im Rahmen des Sansibar-Helgoland-Tauschs entstand diese nach einem deutschen Reichskanzler benannte Landzunge zwischen Okavango und Sambesi, die bis heute zu Namibia gehört.
Mehr als 100 Jahre ist Namibia keine deutsche Kolonie mehr. Und trotzdem ist es erstaunlich, wie stark sich die Kultur vor allem in Swakopmund, aber auch in anderen Orten eingeprägt hat. Für mich ist es spannend, dem Ganzen nachzuspüren… Man spürt auch direkt, wenn man die Grenze nach Botswana überfahren hat. Schlagartig werden aus den 70% deutscher Urlauber nur noch 20%. Sehr erstaunlich ist dabei, dass es eigentlich nur noch 20000 Namibier gibt, deren Muttersprache Deutsch ist. Nach Bauchgefühl müssen wohl 19000 davon in Swakopmund leben…
In diesem Sinne
#daheimistlangweilig
Eure Anke